Die Schatzkammer: Die ehemalige Jesuiten-Kolleg-Bibliothek

An diesem Ort kommt so etwas wie eine sakrale Stimmung auf. Wie beim alten Tempel in Jerusalem muss man mehrere Räume passieren, ehe man zum Allerheiligsten gelangt. Nur zu ganz wenigen Gelegenheiten öffnen sich die Pforten den Besuchern – und das ist auch gut so, denn eine hohe Besucherfrequenz hat Auswirkungen auf das Raumklima und schadet letztlich den Büchern.

Begonnen hat es mit einer Neujahrsgabe. Zum 1. Januar 1651 schenkte Johann Friedrich von Goltstein den Jesuiten ein besonderes Buch. Neu war dieses Buch damals nicht mehr und aktuell erst recht nicht. Aber es war damals schon beeindruckend und faszinierend – und das ist die Schedelsche Weltchronik, lateinische Ausgabe, Nürnberg 1493, bis auf den heutigen Tag geblieben. Bei jeder Bibliotheksführung ist dieses großformatige, mit mehr als 1.800 Holzschnitten illustrierte Werk der absolute Star.

Weitere Schenkungen – insbesondere die des Marsilius Conzen im Jahr 1653 – sorgten für das Anwachsen der Jesuiten-Kolleg-Bibliothek. Heute umfasst sie 22 Handschriften, 76 Inkunabeln (Wiegendrucke, worunter man Bücher versteht, die bis zum 31. Dezember 1500 gedruckt wurden) und rund 1.800 Bücher, die zwischen 1507 und 1800 hergestellt wurden.

Es überwiegen theologische und altsprachliche Werke, wie sie die Jesuiten im Unterricht benutzten. Man findet in der Bibliothek aber auch Bücher von Philipp Melanchthon. Der war zwar einer der wichtigsten Köpfe der Reformation, gegen die die Jesuiten antraten, gleichzeitig aber eben einer der innovativsten Reformer und Verbesserer des Schulwesens, weshalb man ihn auch den Lehrer Deutschlands (Praeceptor Germaniae) nannte. Die Jesuiten-Kolleg-Bibliothek besitzt sogar ein Buch Melanchthons, auf dessen Vorsatzblätter der Reformator eigenhändig ein Widmungsgedicht niedergeschrieben hat.

Die kostbarsten Handschriften der Bibliothek wurden erst in den 1950er Jahren wiederentdeckt. Es handelt sich um Neumenfragmente – Vorgänger der Notenschrift – die man einst zur Verstärkung des Bucheinbandes in die Deckel von Büchern eingeklebt hatte. Künstlerisch wertvoll sind die auf Pergament handgeschriebenen Predigten des Bernhard von Clairvaux.

Auch das traurige Kapitel der Hexenverfolgungen spiegelt sich in den Buchbeständen. Der berüchtigte Hexenhammer (Malleus Maleficarum) – ein Handbuch zum Erkennen und Auslöschen der Hexen – in der Kölner Ausgabe von 1494, fehlt ebenso wenig wie die Cautio Criminalis (lateinische Ausgabe von 1632, deutsche von 1649) mit der der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld vehement Stellung gegen die Hexenverfolgung bezog. Ein weiteres Buch wider die Hexenverfolgung fand 1834 als Schenkung den Weg in die Bibliothek. Das Buch Hochnötige Unterthanige Klage der Frommen Unschültigen (Amsterdam 1676) des Hermann Löher ragt aus der zeitgenössischen Hexenliteratur heraus. Sein Autor war weder Jurist noch Theologe, sondern Kaufmann. Als Schöffe in Rheinbach hatte er zunächst auf der Seite der Hexenverfolger gestanden und dann innerhalb seiner eigenen Familie die Kehrseite der Medaille kennengelernt. Der eigenen Anklage als Hexer entzog er sich durch Flucht. Besonders ist sein Buch auch deshalb, weil es weltweit nur in zwei Exemplaren erhalten ist – und weil Hermann Löher ein gebürtiger Münstereifeler war.

Natürlich sind die genannten Kostbarkeiten in einem dicken Panzerschrank geborgen. Und wie sollte es auch anders sein? Selbst dieser Panzerschrank ist mittlerweile eine Rarität.

Harald Bongart

Literatur: Heinz Siegel, Katalog der ehemaligen Jesuiten-Kollegbibliothek in Münstereifel. Harald Bongart, Peter Ismar und Marius Schulten (hgg.), Ort der besonderen Schätze. Die Bibliothek der Jesuiten in Bad Münstereifel. Bad Münstereifel 2016Münstereifel 1960.

Fotos: StMG-Archiv